Sozialpraktikum 2016
Endlich! Nach insgesamt 15 Stunden Flug waren wir in Nairobi, der Hauptstadt von Kenia, gelandet. Tabea, Hannah, Aron und ich, hatten vor, die nächsten fünf Wochen auf dem schwarzen Kontinent zu verbringen. Die letzte Hürde, uns im Flughafen ein Visum zu besorgen, mussten wir noch nehmen und dann hatten wir es geschafft, wir waren in Afrika. Es war bereits Nachmittag und die Luft war angenehm warm. Wir alle, sind Teil der Schülerfirma Nyendo und freuten uns schon sehr darauf, endlich die Schule zu sehen, die wir lange Zeit mit unserer Arbeit unterstützt hatten. Nach kurzer Wartezeit wurden wir von einem Angestellten der Rudolf Steiner Schule Mbagathi mit einem sehr alten Van abgeholt. Der Weg zur Schule hielt sehr viele Eindrücke von Land und Leuten für uns bereit. Anfangs erinnerten die Straßen noch an unser Zuhause, doch je weiter wir aus Nairobi rauskamen, desto ruckeliger wurde die Fahrt und desto mehr Slums bekamen wir zu sehen. Die Schule lag etwas außerhalb des Vororts Mbagathi, am Rand des Nairobi Nationalparks. Das erste was wir sahen, nachdem wir das Schultor passiert hatten, war ein großes, vertrocknetes Fußballfeld auf dem einige Kühe grasten. Das Schulgelände wirkte wie ein kleines Paradies und die Schulgebäude erinnerten ein wenig an unsere Schule. Wir wurden herzlich von einer Lehrerin begrüßt und bezogen unsere Hütten, die erstaunlich komfortabel waren. Mittlerweile war es Abend geworden.
Die erste Woche verbrachten wir hauptsächlich damit, uns den Unterricht in den verschiedenen Klassen anzusehen und gegebenenfalls den Schülern ein wenig bei ihren Aufgaben zu helfen. Uns fiel schnell auf, dass sich die Kinder, im Gegensatz zu unserer Schule, recht gut benahmen. Auch packten wir im Schulgarten und in der Küche mit an. Und ebenso nahmen wir oft an den Langstreckenläufen teil, die eine Art Morgenroutine darstellten. Dabei überraschte uns die Ausdauer der Kinder sehr, die meist mit Flip Flops oder gar barfuß liefen. Was uns außerdem sehr erstaunte, war die Kälte, die es uns morgens nur erlaubte in langer Kleidung und Jacke rauszugehen. Aber selbst so dick eingepackt froren wir in der Früh des öfteren. In Afrika ist im Juli natürlich auch tiefster Winter. In unserer Freizeit spielten wir viel Fußball oder beteiligten uns an anderen sportlichen Aktivitäten. Zwei mal die Woche durften wir eine Schulklasse zum Schwimmunterricht begleiten, was eine willkommene Abwechslung darstellte. Das Essen an der Schule war etwas einseitig, worüber man sich aber wirklich nicht beklagen durfte, denn es schmeckte ausgezeichnet und war darüber hinaus auch noch gesund. Fast alle Lebensmittel wurden im Schulgarten angebaut, der dementsprechend groß war und Arbeit für mehrere Vollzeitfarmer bereitstellte.
Ab der zweiten Woche wurde jedem von uns eine Gruppe von Schülern zugeteilt, die in dem Waisenhaus der Schule lebten, Schwierigkeiten mit dem Schulstoff hatten und denen wir jeden Abend mit den Hausaufgaben helfen sollten. Dieses Arbeiten mit den Kindern war sehr interessant, da sie meist viel zu erzählen hatten. So erfuhr ich beispielsweise von einer Schülerin, die in die siebte Klasse ging, wie schrecklich das staatliche Internat, in das sie zuvor gegangen war, mit den Schülern umging. Dort waren unter anderem für jedes kleine Vergehen Prügelstrafen an der Tagesordnung. Sehr schön war das Gefühl, wenn man es geschafft hatte, den Kindern etwas beizubringen und sie es auch wirklich verstanden, was nicht immer leicht zu erreichen war. Wir halfen jetzt auch des öfteren im Kindergarten wo es anfangs schwer war, den Horden von kleinen Kindern, die von uns auf den Arm genommen werden wollten, zu entkommen. Insbesondere den Obstsalat aus Ananas, Melone, Banane, etc., den die Kleinen bekamen, genossen wir sehr. Diese Früchte schmeckten unglaublich gut.
Zu erwähnen ist auch noch der sogenannte Sports Day, der an einem Schultag stattfand. Dort konnten die Schüler sich in den verschiedensten Sportarten, die sie schon seit Wochen trainiert hatten, miteinander messen. Auch die Eltern und Lehrer waren dabei, was den ganzen Tag zu einem lustigen Ereignis machte. Die Lehrer der Schule waren alle sehr nett zu uns. Besonders der lustige Mr. Lawrence, der es in seinem Englisch – und Geschichtsunterricht oft schaffte, die gesamte Klasse zum Lachen zu bringen und Mr. Gomorra, der uns zu sich nach Hause zu einem köstlichen Abendessen einlud, bleiben mir in Erinnerung. Auch genossen wir oft den Sonnenuntergang und die Lichter Nairobi‘s, wenn wir uns Abends auf ein Steindach setzten, welches wir etwas weiter innerhalb des Nationalparks gefunden hatten.
Nach drei erfahrungsreichen Wochen an der Schule war es schließlich Zeit aufzubrechen und uns auf den Weg nach Tansania zu machen. Von den Lehrern hatten wir uns schon in der Lehrerkonferenz verabschiedet, der wir am Tag zuvor beiwohnen durften. Aarons Eltern Ise und Tobias kamen mit seinem Bruder Levin, um uns mit dem Auto abzuholen. Nach dem wir uns auch noch von den Schülern verabschiedet hatten, konnte es losgehen. Ein großer Teil der Afrikareise lag noch vor uns.
Nach langer Fahrt und der Übernachtung in einer Lodge kamen wir letztendlich auf der Farm außerhalb des kleinen Ortes Karatu an, auf der wir die nächsten zwei Wochen verbringen wollten. Karatu lag ziemlich hoch in einer hügeligen Landschaft und war so grün, dass es mehr an die Toskana, als an Afrika erinnerte. Trotzdem, wenn die Sonne einmal herunterbrannte, verzogen wir uns jedes mal nach kurzer Zeit in den Schatten. Während der Zeit auf der Farm besuchten wir einen Kindergarten, eine Schule, eine kleine Schneiderei und mehrere Nationalparks. Zum Kindergarten gingen wir schon am nächsten Tag. Er war von einer Isländischen Familie gegründet worden, die vor Ort mehrere soziale Projekte koordiniert. Das Kindergartengebäude war ein kleines Steinhaus und wirkte für unsere Verhältnisse sehr ärmlich. Es gab einen Klassenraum, in dem die Kindergartenkinder Unterricht bekamen. Sie lernten dort lesen, schreiben und rechnen. Spielen konnten sie draußen, wo es aber nichts gab, als staubigen Boden und ein paar Sträucher, was ihnen aber vollkommen reichte, um Spaß zu haben. Als wir ankamen und den Klassenraum betraten, schlug uns sofort eine laute, einstimmige Begrüßung seitens der Kinder entgegen. Dann beendete die Lehrerin ihren Unterricht und die Kinder hatten Pause. Danach fingen wir an, Zahnbürsten an die Gruppe zu verteilen, um besonders den Kindern, die es nicht kannten, das Zähneputzen näher zu bringen. Auf jede Zahnbürste kam noch etwas Zahnpasta und dann zeigte Hannah ihnen erst einmal die grundlegenden Kreisbewegungen beim Zähneputzen. Glücklicherweise machte jedes Kind sehr konzentriert mit. Nachdem die Kinder fertig waren und ihre neuen Zahnbürsten eingesteckt hatten wuschen sich alle noch die Hände, wofür wir einen ganzen Packen Seifen mitgebracht hatten. Als wir uns dann wieder auf den Weg zurück zur Farm machen wollten, sangen die Kinder ein kurzes Abschiedslied auf Kisuahili, der Landessprache, für uns.
Die Schneiderei lag in einem Nachbardorf und bestand nur aus einem kleinen Raum, in dem zwei Tische und drei alte Nähmaschinen standen. Das Arbeiten mit den Schneiderinnen klappte sehr gut. Wir besprachen mit einer Frau die Maße und Form der Kleider, die sie für uns genäht hatten und die wir, nach gewissen Änderungen, zukünftig kaufen werden. Der Verkauf der Kleidung, mit der wir nach den Änderungen sehr zufrieden waren, soll dann über die Schülerfirma Nyendo erfolgen.
Der Besuch in der staatlichen Schule war ebenfalls sehr interessant. Der Schuldirektor lud uns in sein Büro ein und fing an uns einige Dinge über seine Schule und das Schulsystem in Tansania zu erzählen. Demnach schreiben seine Schüler in der siebten Klasse ein Examen, dass sie auf eine weiterführende Schule bringen kann. Besteht jemand das Examen allerdings nicht, ist seine Schullaufbahn beendet und er hat so gut wie keine Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt. Nur Kinder mit sehr wohlhabenden Eltern können, trotz des Durchfallens in der siebten Klasse, auf eine weiterführende Privatschule gehen. Diesen Druck, dem die Kinder schon in so jungem Alter ausgesetzt sind, konnten wir während dem Unterricht deutlich spüren, vor allem an der unglaublich guten Disziplin, die die Kinder an den Tag legten. Auf dem Schulgrundstück standen mehrere Gebäude, die alle etwas heruntergekommen aussahen. Der Direktor erklärte uns aber, dass seine Schule verhältnismäßig wohlhabend war.
Die Höhepunkte der Afrikafahrt waren für mich die Besuche in den drei Nationalparks. Am meisten beeindruckten mich die riesigen Elefanten, die des öfteren nur wenige Meter vor unserem Jeep, gemächlich den Weg überquerten. Auch hatten wir das Glück einen Geparden zu sehen, der majestätisch auf einem Hügel sitzend nach Beute Ausschau hielt.
Die Zeit verging rasend schnell und so war auch bald der Tag gekommen, an dem wir unsere Sachen packen mussten und uns auf den Weg zurück nach Nairobi machten. In Arusha, einer Stadt, die schon etwas näher an der Grenze zu Kenia lag, übernachteten wir in einer Lodge und fuhren von dort aus mit dem Bus zum Flughafen Nairobi. Mit dem Gefühl, etwas Unvergessliches erlebt zu haben und großer Vorfreude auf Zuhause, stiegen wir in unser Flugzeug.
Kilian Schlierf